Schlaganfall und nun? Ein Leitfaden für Angehörige
Ein Schlaganfall ist ein beängstigendes Erlebnis – sowohl für die Betroffenen selbst, als auch für ihre Angehörigen. Wir wissen das und möchten Ihnen deshalb einen Leitfaden an die Hand geben, der Ihnen Antworten auf einige Ihrer Fragen bietet und Sie nicht nur informiert, sondern Ihnen auch Hoffnung gibt.
Denn Sie sind nicht allein, es gibt Unterstützungen für Betroffene und Angehörige, das Sie von der Akutversorgung direkt nach dem Schlaganfall bis hin zur Rehabilitation und zur Langzeitversorgung betreut. Mit diesem Leitfaden möchten wir Ihnen Ihre Möglichkeiten aufzeigen.
Ein Leitfaden für die Beantragung von Pflegegrad, Krankengeld und Urlaub
Ein Schlaganfall wirft nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für Angehörige zahlreiche Herausforderungen auf. Um die notwendige Unterstützung zu erhalten, ist es wichtig, sich frühzeitig über finanzielle und organisatorische Hilfen zu informieren. Hier sind die Schritte, wie Angehörige Hilfe in Form von Pflegegrad, Krankengeld und Urlaub beantragen können.
Inhalt:
- Wie beantrage ich einen Pflegegrad?
- Kann ich weitere finanzielle Unterstützung beantragen?
- Kann ich mir Urlaub nehmen, um die betroffene Person zu unterstützen?
- Wer kann mir dabei helfen?
- Wie schaffe ich es, den Berg an Anträgen auszufüllen?
Wie beantrage ich einen Pflegegrad?
In Deutschland wird der Pflegegrad durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder den Medicproof bei privaten Krankenversicherungen bewertet.
Informieren Sie sich auch auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/.
Antragstellung:
Der Antrag auf einen Pflegegrad wird bei der zuständigen Pflegekasse gestellt. Das kann die Pflegekasse der gesetzlichen Krankenversicherung (z. B. AOK, TK, Barmer) oder die private Pflegeversicherung sein.
Der Antrag kann schriftlich oder online gestellt werden. Oft bieten die Pflegekassen auf ihren Websites entsprechende Formulare an.
Terminvereinbarung für die Begutachtung:
Nach Eingang des Antrags vereinbart die Pflegekasse einen Termin für die Begutachtung durch den MDK oder Medicproof.
Der Termin wird in der Regel beim Antragsteller zu Hause durchgeführt.
Begutachtung durch den MDK/Medicproof:
Ein/e Mitarbeiter*in des MDK oder Medicproof wird den Gesundheitszustand des Antragstellers begutachten.
Dabei werden verschiedene Aspekte wie körperliche und geistige Einschränkungen, Mobilität, Selbstversorgung, kognitive Fähigkeiten und psychische Gesundheit bewertet.
Der/die Gutachter*in verwendet hierfür den sogenannten „Begutachtungsassessment“ (NBA), um den Pflegegrad festzustellen.
Wenn der Besuch an einem der “guten Tage” der betroffenen Person kommt, zögern Sie nicht, auf die Bereiche hinzuweisen, in denen die betroffene Person Schwierigkeiten hat und Hilfe oder Aufsicht benötigt
Entscheidung der Pflegekasse:
Basierend auf dem Gutachten des MDK oder Medicproof trifft die Pflegekasse eine Entscheidung über den Pflegegrad.
Der Antragsteller erhält einen schriftlichen Bescheid, in dem der zuerkannte Pflegegrad und die damit verbundenen Leistungen festgehalten sind.
Widerspruchsmöglichkeit:
Falls der Antragsteller mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.
Hierzu sollte der Antragsteller sich bei seiner Pflegekasse über die genauen Schritte informieren, die für einen Widerspruch erforderlich sind.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Pflegegrad regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden kann, wenn sich der Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen ändert. Angehörige oder andere Unterstützungspersonen können den Antragsteller während des gesamten Prozesses unterstützen und begleiten.
Kann ich weitere finanzielle Unterstützung beantragen?
Angehörige, die aufgrund der Pflege eines Schlaganfallpatienten ihre berufliche Tätigkeit reduzieren oder unterbrechen müssen, haben unter Umständen Anspruch auf Krankengeld. Dies kann über die Krankenkasse des Angehörigen abgewickelt werden. Ein ärztliches Attest, das die Notwendigkeit der Pflege bestätigt, ist oft erforderlich. Angehörige sollten frühzeitig Kontakt mit der Krankenkasse aufnehmen und die erforderlichen Unterlagen einreichen.
Pflegegeld:
Wenn der Schlaganfallpatient einen Pflegegrad zugesprochen bekommt, kann dies auch Auswirkungen auf die finanzielle Unterstützung haben. Pflegegeld wird direkt an den Pflegebedürftigen oder an die Person ausgezahlt, die die Pflege übernimmt. Die Höhe des Pflegegeldes hängt vom Pflegegrad ab.
Pflegeunterstützungsgeld:
Angehörige, die eine berufliche Auszeit nehmen oder ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Pflege eines Familienmitglieds zu übernehmen, können unter bestimmten Voraussetzungen Pflegeunterstützungsgeld erhalten. Dieses wird als Ersatz für entgangenes Einkommen gezahlt.
Angehörigenentlastungsgesetz (AEG):
Das Angehörigenentlastungsgesetz bietet Unterstützung für pflegende Angehörige, indem es einen Entlastungsbetrag vorsieht, der für die Finanzierung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen genutzt werden kann.
Steuerliche Entlastungen:
Pflegende Angehörige können unter bestimmten Bedingungen steuerliche Entlastungen geltend machen, etwa durch den Abzug von Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen oder durch die Inanspruchnahme des Pflege-Pauschbetrags.
Sozialhilfe und andere finanzielle Unterstützung:
In besonderen Situationen können pflegende Angehörige auch andere Formen der finanziellen Unterstützung wie Sozialhilfe, Wohngeld oder Unterstützung durch gemeinnützige Organisationen in Anspruch nehmen.
Um die individuellen Möglichkeiten für finanzielle Unterstützung als pflegender Angehöriger nach einem Schlaganfall zu ermitteln, ist es ratsam, sich an die örtliche Pflegeberatung, die Pflegekasse oder andere soziale Beratungsstellen zu wenden. Diese können über die verfügbaren Leistungen informieren und bei der Antragstellung unterstützen.
Kann ich mir Urlaub nehmen, um die betroffene Person zu unterstützen?
Ja, in Deutschland haben pflegende Angehörige das Recht, sich für die Pflege von Familienmitgliedern, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung pflegebedürftig sind, eine Auszeit zu nehmen. Dies wird als Pflegezeit oder kurzzeitige Arbeitsverhinderung bezeichnet und ist im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) geregelt. Hier sind die wichtigsten Punkte:
Pflegezeit:
Pflegezeit kann für bis zu sechs Monate in Anspruch genommen werden.
Während dieser Zeit ruht das Arbeitsverhältnis, das heißt, der Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, seine Arbeit vorübergehend einzustellen, ohne dass ihm gekündigt werden darf.
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine staatliche Pflegezeitversicherung, die ihn während der Pflegezeit finanziell absichert.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung:
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung kann für bis zu zehn Arbeitstage pro Kalenderjahr genommen werden, um unvorhergesehene Pflegesituationen zu bewältigen.
Während dieser Zeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber.
Voraussetzungen:
Pflegezeit und kurzzeitige Arbeitsverhinderung können nur in Anspruch genommen werden, wenn der Pflegebedürftige ein Familienmitglied ist und mindestens Pflegegrad 1 hat.
Der Arbeitnehmer muss die Pflegezeit bzw. kurzzeitige Arbeitsverhinderung mindestens zehn Tage im Voraus schriftlich beim Arbeitgeber beantragen.
Antragstellung:
Die Pflegezeit und kurzzeitige Arbeitsverhinderung werden beim Arbeitgeber beantragt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Antrag zu prüfen und zu genehmigen.
Rückkehr an den Arbeitsplatz:
Nach Ablauf der Pflegezeit oder kurzzeitigen Arbeitsverhinderung hat der Arbeitnehmer das Recht, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Es besteht Kündigungsschutz während der Pflegezeit.
Diese Maßnahmen sollen es pflegenden Angehörigen ermöglichen, sich um ihre Familienmitglieder zu kümmern, ohne dabei ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Es ist jedoch wichtig, sich über die genauen Bedingungen und Möglichkeiten mit dem Arbeitgeber sowie den zuständigen Behörden zu informieren.
Wer kann mir dabei helfen?
Sozialberatung in Anspruch nehmen:
Sozialberater und Pflegedienste können eine wertvolle Unterstützung bei der Antragstellung bieten. Sie sind oft mit den bürokratischen Abläufen vertraut und können dabei helfen, die notwendigen Unterlagen zusammenzustellen. Ein Besuch bei der zuständigen Pflegekasse oder dem Sozialamt kann dazu beitragen, offene Fragen zu klären und den Antragsprozess zu erleichtern.
Auch Selbsthilfegruppen und Angebote der Schlaganfallhilfe können eine Stütze sein. Schauen Sie sich auf den Seiten der deutschen Schlaganfallhilfe um: https://www.schlaganfall-hilfe.de/de/fuer-betroffene/alltag-mit-schlaganfall/angehoerige/adressen-fuer-angehoerige.
Wie schaffe ich es, den Berg an Anträgen auszufüllen?
Priorisierung:
Beginnen Sie mit den Anträgen, die für die unmittelbare Versorgung und Unterstützung der betroffenen Person am dringendsten sind. Dazu gehören möglicherweise Anträge für medizinische Versorgung, Rehabilitation oder finanzielle Unterstützung.
Organisation:
Sammeln Sie alle erforderlichen Unterlagen und Informationen, bevor Sie mit dem Ausfüllen der Anträge beginnen. Erstellen Sie eine Checkliste, um sicherzustellen, dass Sie nichts vergessen, und halten Sie die Dokumente in einer ordentlichen Mappe oder Datei bereit.
Unterstützung suchen:
Scheuen Sie sich nicht davor, Hilfe bei der Bearbeitung der Anträge zu suchen. Das können Familienmitglieder, Freunde oder sogar professionelle Berater sein. Manchmal bieten auch Organisationen für Schlaganfallpatienten Unterstützung bei administrativen Aufgaben an.
Zeitmanagement:
Planen Sie regelmäßige Zeitblöcke ein, um sich ausschließlich dem Ausfüllen der Anträge zu widmen. Teilen Sie die Aufgabe in kleinere, machbare Schritte auf und setzen Sie sich realistische Ziele, um Überlastung zu vermeiden.
Prioritäten setzen:
Konzentrieren Sie sich zunächst auf die Anträge, die unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der betroffenen Person haben. Das können Anträge für medizinische Versorgung, Rehabilitation, Therapie oder finanzielle Unterstützung sein.
Dokumentation:
Halten Sie alle abgeschickten Anträge, Korrespondenzen und Nachweise sorgfältig fest. Dies kann später hilfreich sein, um den Überblick zu behalten und bei Bedarf auf Informationen zurückzugreifen.
Pausen einlegen:
Es ist wichtig, sich selbst nicht zu überfordern. Machen Sie regelmäßig Pausen, um sich zu entspannen und aufzutanken. Selbstfürsorge ist entscheidend, um langfristig für die betroffene Person da sein zu können.
Geduld bewahren:
Das Ausfüllen von Anträgen kann zeitaufwendig und frustrierend sein, insbesondere wenn es um bürokratische Prozesse geht. Bleiben Sie geduldig und bleiben Sie dran, auch wenn es schwierig wird.
Unterstützung im familiären Netzwerk suchen:
Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn können eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Angehörigen spielen. Die Aufgaben können auf mehrere Schultern verteilt werden, um die Belastung zu reduzieren. Auch emotionaler Support ist in dieser Zeit von großer Bedeutung.
Die rechtzeitige Beantragung von Pflegegrad, Krankengeld und Urlaub ist entscheidend, um die notwendige Unterstützung in der Pflege eines Schlaganfallpatienten zu erhalten. Der Weg durch die bürokratischen Prozesse kann herausfordernd sein, aber die Hilfe, die dadurch ermöglicht wird, ist von unschätzbarem Wert für die Pflege und Genesung des Betroffenen.