Die Zukunft der Schlaganfalltherapie: Virtual Reality (VR) als Game Changer

Schlaganfallkompass

Ein älterer Herr und eine ältere Dame sitzen auf bequemen Stühlen in einem Wohnzimmer und trainieren mit VR-Brillen und Controllern

Inhalt:

  1. Die Zukunft der Schlaganfalltherapie: Virtual Reality als Game Changer
  2. Virtual Reality in der Schlaganfall-Rehabilitation
  3. Training der motorischen Fähigkeiten
  4. Spiegeltherapie in der Schlaganfall-Rehabilitation
  5. Kognitive Rehabilitation durch VR
  6. Hohe Akzeptanz der Betroffenen von VR
  7.  Vorteile der VR-gestützten Therapie
  8. Verbesserung der Motivation und des Engagements
  9. Individualisierte Therapie
  10. Feedback und Überwachung
  11. Sicherheit und Kontrolle
  12. Langfristige Anwendung
  13. Fazit: Virtuelles Training — reale Erfolge

Die Zukunft der Schlaganfalltherapie: Virtual Reality als Game Changer

Zerebrovaskuläre Erkrankungen zählen mit rund 9,9 Milliarden Euro Krankheitskosten im Jahr 2015 zu den kostenintensivsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Somit ist der Schlaganfall weltweit die häufigste Ursache für Langzeiteinschränkungen bei Erwachsenen. Nach einem Schlaganfall zeigen sich oft erhebliche Einschränkungen in den kognitiven und motorischen Fähigkeiten, was umfangreiche und langwierige Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich macht.

Bevor wir uns der Zukunft der Therapie widmen, erst eine kurze Krankheitsgeschichte: Der Schlaganfall ist keine neue Krankheit; er begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden. Bereits im antiken Griechenland und Rom war die Krankheit bekannt, wobei sie damals als „Apoplexie“ bezeichnet wurde. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Schlag“ oder „Schock“, was auf das plötzliche Auftreten der Symptome hinweist. Hippokrates, ein griechischer Arzt im 5. Jahrhundert v. Chr., beschrieb erstmals die Symptome eines Schlaganfalls und legte damit den Grundstein für das Verständnis der Krankheit. Heute sind Schlaganfälle eine der häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung weltweit. Jedes Jahr erleiden Millionen von Menschen einen Schlaganfall, und die Zahlen steigen aufgrund der alternden Bevölkerung. Wir glauben, jedoch, dass die Behandlung einer alten Krankheit durch neueste Mittel revolutioniert werden kann.

Virtual Reality in der Schlaganfall-Rehabilitation

In der Rehabilitation nach einem Schlaganfall zeigt sich ein wachsendes Interesse und eine zunehmende Bereitschaft zur Nutzung von Virtual Reality (VR). VR ist eine Technologie, die Nutzern ein immersives Erlebnis bietet, indem eine künstliche Umgebung erzeugt wird, in der sie agieren können und die sie als Realität wahrnehmen.

Typischerweise kommen hierbei Datenbrillen und Headsets für das visuelle und Audio-Erlebnis sowie Controller wie Hand- und Fußmanschetten zur motorischen Simulation zum Einsatz. Diese Technologie ist schnell zu erlernen und weckt das Interesse der Patienten. VR ergänzt die klassische Physiotherapie und hilft bei der Behandlung von Schlaganfall-Folgen wie Lähmungen der Gliedmaßen, gestörtem Gleichgewicht und veränderter Gangart.Ein Mann hält eine VR-Brille in den Händen.

Training der motorischen Fähigkeiten

Virtual Reality (VR) bietet innovative Möglichkeiten, das Motorische Training effektiv zu gestalten. Durch den Einsatz von Controllern, die das Greifen simulieren, können PatientInnen gezielte Bewegungen üben und die Feinmotorik verbessern. Darüber hinaus ermöglicht die virtuelle Umgebung das gefahrenfreie Ausführen bekannter Handgriffe und Bewegungen, was dazu beiträgt, das Vertrauen in die eigene motorische Leistungsfähigkeit wiederzugewinnen. Durch das immersive Erlebnis und die Möglichkeit, Bewegungen in einem sicheren virtuellen Raum zu wiederholen, können Schlaganfallüberlebende ihre motorischen Fähigkeiten gezielt trainieren und so ihre Unabhängigkeit im Alltag wiedererlangen.

Spiegeltherapie in der Schlaganfall-Rehabilitation

Die Spiegeltherapie ist eine wichtige Methode in der Schlaganfall-Rehabilitation. Sie nutzt die neuroplastischen Fähigkeiten des Gehirns aus, um die Bewegungsfähigkeit und die Wahrnehmung der betroffenen Extremitäten zu verbessern.

Die Basis dieser Therapie sind die sogenannten Spiegelneuronen. Spiegelneuronen sind dafür verantwortlich, Bewegungen und Handlungen zu erkennen und zu imitieren, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Durch die visuelle Illusion, die der gesunde Arm in der VR-Umgebung erzeugt, werden diese Neuronen stimuliert und fördern so die Wiederherstellung motorischer Funktionen in der betroffenen Extremität.

Bei der herkömmlichen Spiegeltherapie sitzt die Betroffene Person vor einem Spiegel, der so positioniert ist, dass man das Spiegelbild der nicht betroffenen Seite des eigenen Körpers sieht. Zum Beispiel, wenn die rechte Seite des Körpers betroffen ist, wird der Spiegel so platziert, dass es aussieht, als ob die rechte Seite des Körpers die linke Seite im Spiegel ist. Nun führen die PatientInnen dann Bewegungen mit der nicht betroffenen Seite seines Körpers durch, während sie gleichzeitig das Spiegelbild dieser Bewegungen betrachten. Das Gehirn wird durch die Illusion angeregt, dass die betroffene Seite des Körpers tatsächlich auch in Bewegung ist.

Durch diese visuelle Täuschung wird das Gehirn dazu angeregt, Signale an die betroffene Seite zu senden, um sie ebenfalls zu bewegen. Obwohl die Bewegung nicht tatsächlich stattfindet, interpretiert das Gehirn die visuelle Stimulation als Bewegung der gelähmten Extremität.

Eine Person berührt einen Spiegel mit dem ausgestreckten linken ZeigefingerDurch den Einsatz von Virtual Reality kann diese Therapie noch effektiver gestaltet werden. Die Bewegung des gesunden Armes kann virtuell gespiegelt werden und wird als ein- oder beidarmige Aktivität in eine künstliche Umgebung projiziert. Dies ermöglicht ein gezieltes Training von grob- und feinmotorischen Funktionen und Fähigkeiten, ähnlich wie bei der traditionellen Spiegeltherapie.

Dank der VR-Brille ist die Immersion für die Betroffene Person größer und die Illusion, das beide Körperhälften aktiv sind wird verstärkt. Somit wird die Aktivierung der Spiegelneuronen im Gehirn, die eine entscheidende Rolle bei der motorischen Rehabilitation spielen unterstützt.

Kognitive Rehabilitation durch VR

VR kann verwendet werden, um Umgebungen und Szenarien zu simulieren, die speziell darauf abzielen, kognitive Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Problemlösung und räumliches Denken zu verbessern. Zum Beispiel können Patienten Aufgaben in virtuellen Umgebungen lösen, die alltägliche Aktivitäten wie Einkaufen, Kochen oder die Navigation durch eine Stadt nachstellen. In unserer Therapieanwendung teora mind nutzen wir die Vorteile der Virtuellen Realität, um die Betroffenen mit alltagsnahen Trainings zu aktivieren und zu therapieren. Diese Art der kognitiven Stimulation kann besonders hilfreich sein, um die geistige Fitness der PatientInnen zu erhalten und zu verbessern.

Hohe Akzeptanz der Betroffenen von VR

Ältere Menschen und VR – das passt doch nicht zusammen… oder? Von wegen! Tatsächlich hat unsere Studie gezeigt, dass die Akzeptanz von Virtual Reality (VR)-Therapie bei älteren Menschen, einschließlich Schlaganfallpatienten, sehr gut funktioniert.

Die Studie betont, dass die VR-Therapie von älteren Erwachsenen gut angenommen wird, einschließlich derjenigen, die einen Schlaganfall erlitten haben. Diese Akzeptanz wurde trotz fehlender Vorerfahrung mit VR-Geräten oder -Software erreicht und war weder durch negative Einstellungen gegenüber VR noch durch Cybersickness (das heißt Schwindel-gefühle bei Nutzung der VR-Brille) beeinträchtigt.

Zwei ältere Damen trainieren gemeinsam mit einer VR-Brille und einem Therapie-Tablet

 

Diese Ergebnisse unterstützen die Nutzung von VR als engagierende, effektive und wirtschaftliche Methode zur Verbesserung kognitiver Fähigkeiten nach einem Schlaganfall.

Vorteile der VR-gestützten Therapie

Verbesserung der Motivation und des Engagements

Durch die immersive Natur von VR werden PatientInnen oft stärker in die Rehabilitation eingebunden. Die Interaktivität und die Möglichkeit, Erfolge in einer virtuellen Umgebung zu erleben, können die Motivation steigern und das Engagement für das Rehabilitationsprogramm erhöhen. Die Betroffenen berichten häufig, dass sie sich in der virtuellen Welt stärker gefordert und belohnt fühlen, was die Therapietreue und damit die Wirksamkeit der Rehabilitation verbessert.

Individualisierte Therapie

VR-Systeme können an die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der PatientInnen angepasst werden. Die Behandelnden können die Schwierigkeit der Aufgaben, die Umgebung und andere Parameter entsprechend den Fortschritten der PatientInnen anpassen, um eine individualisierte und effektive Therapie zu gewährleisten. Diese Anpassungsfähigkeit macht VR zu einem äußerst flexiblen und wertvollen Werkzeug in der Schlaganfall-Rehabilitation.

Feedback und Überwachung

VR-Systeme bieten Echtzeit-Feedback, das die Betroffenen dabei unterstützt, ihre Leistung zu verbessern. Therapeuten können die Fortschritte der PatientInnen überwachen und die Therapie entsprechend anpassen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Diese ständige Rückmeldung kann entscheidend sein, um die richtigen Bewegungsmuster zu verstärken und Fehler zu korrigieren, was zu schnelleren und nachhaltigeren Fortschritten führt.

Sicherheit und Kontrolle

In einer virtuellen Umgebung können Risiken und Gefahren minimiert werden, während dennoch realistische Situationen simuliert werden können. Dies ist besonders vorteilhaft für PatientInnen, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, an realen Umgebungen teilzunehmen. Die Sicherheit der Betroffenen hat höchste Priorität, und VR bietet eine kontrollierte Umgebung, in der sie ohne Risiko üben können.

Langfristige Anwendung

Senior bei der Nutzung von teora mind. Er sitzt in einem Ohrensessel und hält zwei Controller in den Händen. Im Vordergrund sieht man ein Stück Torte.

 

VR kann auch nach Abschluss der formellen Rehabilitationsbehandlung eingesetzt werden, um die langfristige Aufrechterhaltung der kognitiven Fähigkeiten zu unterstützen. Durch regelmäßiges Training in virtuellen Umgebungen können Betroffene ihre kognitiven Fähigkeiten aufrecht-erhalten und weiter verbessern. Diese Möglichkeit der kontinuierlichen Rehabilitation kann dazu beitragen, Rückschritte zu vermeiden und die langfristige Lebensqualität der PatientInnen zu verbessern.

Fazit: Virtuelles Training — reale Erfolge

Virtual Reality hat das Potenzial, die Behandlung von Schlaganfall-Folgen sinnvoll zu unterstützen, die Behandlungsdauer in der Rehabilitation zu verkürzen und therapeutische Kompetenzen und Ressourcen effizienter zu nutzen. Dies könnte zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Sollten weitergehende Wirksamkeitsstudien, wie unsere, die positiven Effekte der VR-Rehabilitation bestätigen, könnte die Anwendung dieser Technologie in der Schlaganfalltherapie weiter ausgebaut und optimiert werden. VR bietet somit eine vielversprechende Ergänzung zur klassischen Rehabilitation und könnte die Lebensqualität von Schlaganfall-Patienten nachhaltig verbessern.